Digitalisierung im Handwerk

Das Handwerk mit seinen vielen kleinen und mittleren Unternehmen, oftmals als Familienbetriebe geführt, ist ein Grundpfeiler der Wirtschaftskraft in Baden-Württemberg. Traditionelle Handwerkskunst und Innovation gehen in diesen Unternehmen Hand in Hand. Der digitale Wandel ist auch im Handwerk eines der prägendsten Zukunftsthemen.

Beim virtuellen Digitalfrühstück des ZD.BB am 16. Juni 2021 verdeutlichten die Referenten Jochen Baier (Bäcker Baier Herrenberg) und Nils Lehnebach (Brezel-Taxi), wie eine Verbindung zwischen traditionellem Handwerk und neuen digitalen Technologien gelingen kann.

Beispiel Bäckereihandwerk

Bäcker Baier

Jochen Baier, Inhaber der Bäckerei Baier in sechster Generation, sieht sich mit einer 100 % Bioqualität des Brotsortiments und der Brötchen und dem Einsatz von modernster Technik gut gerüstet für die Zukunft. An drei Standorten in Herrenberg und einem Stand in der Markthalle in Stuttgart bietet er seine Backwaren an. Im Backhaus befindet sich ein Café, in dem auch ein Mittagssnack angeboten wird. Außerdem beliefert er Gastronomie, Lebensmittelhändler und Reformhäuser in der Umgebung. Im neuen Backhaus, das 2016 den Betrieb aufnahm, wird Digitalisierung umfassend eingesetzt, um Abläufe zu optimieren. Dies betrifft fast alle Arbeitsbereiche: Einkauf, Bestellannahme, Produktion, Verkauf, Kommissionsplanung, Logistik sowie die Arbeitszeitplanung und -erfassung. Lieferkunden haben beispielsweise die Möglichkeit bis 15 Uhr per Cloud-Lösung ihre Bestellungen an das Bäckereisystem zu melden. Standardbestellungen und Kundenprofile sind ebenfalls erfasst. Die Ladenkassen können eine Meldung direkt an das System abgeben, wenn ein Artikel zur Neige geht, so dass die Nachproduktion gestartet werden kann. Der digitale Backzettel (in der Backstube befinden sich Touchdisplays) liefert die vom System geplante optimale Produktionsreihenfolge, die notwendigen Rezepturen wie auch die benötigten Zutatenmengen. Das Abwiegen der meisten Rohstoffe erfolgt automatisiert. Wichtig ist jedoch weiterhin das handwerkliche Know-how der Bäcker, da jedes Mehl anders ist und eine individuelle Anpassung erfordert. Auch die Kommissionierung und die Tourenplanung für die Ladengeschäfte und die Lieferkunden erfolgt IT-gestützt. Im Verkauf unterstützt die digitale Kasse die Verkäufer, ob bei der Beratung oder bei wichtigen Allergeninformationen – so können auch fachfremde Mitarbeiter und Aushilfskräfte sehr schnell im laufenden Betrieb eingesetzt werden. Alle gängigen Bezahlmöglichkeiten, von bar über EC-Karte bis hin zu Smartwatch oder Handy werden durch die digitale Kasse unterstützt. In der Verwaltung wird ein Zeiterfassungssystem eingesetzt, das sowohl eine bedarfsgerechte Einteilung der Arbeitszeiten im Sinne der Mitarbeitenden als auch eine bessere Kontrolle von Arbeitszeitrichtlinien und Pausen ermöglichen. Ebenso ist ein Warenwirtschaftssystem im Einsatz, das den Verbrauch des Getreides automatisch erfasst, so dass immer eine aktuelle Bestandserfassung vorliegt.

Die  umfassende Digitalisierung des Betriebs führt zu einer höheren Wirtschaftlichkeit und effizienteren Prozessen. Aufgrund der verlässlicheren Daten gibt es nun weniger Überproduktion und ein bedarfsgerechteres Angebot. Die Attraktivität des Betriebs für Mitarbeitende konnte erhöht werden, da durch digitale Planungstools vermehrt flexible Arbeitszeit-Modelle angeboten werden können. Der Kundenservice wurde gesteigert. Ausführlichere Infos zum Vorgehen auf dem Digitalisierungsweg und den verwendeten Tools sind in unserer Bäcker Baier Success Story  zu finden.

Brezel-Taxi

Nils Lehnebach hat 2020 mitten in der Corona-Pandemie gemeinsam mit seinen Mitgründer:innen das Start-up Brezel-Taxi gegründet. Ihr Geschäftsmodell ist eine Art digitale Filiale: Eine durchdachte moderne Website mit cleveren Tools und viele Automatismen bietet komfortables Bestellen von Brötchen und mehr, die an die Haustüre geliefert werden. Das erste Brezel-Taxi wurde in Überlingen gestartet, heute – gerade einmal ein gutes Jahr später – bietet das Unternehmen seinen Service in 16 verschiedenen Städten und Regionen an. Regionale, handwerklich orientierte Bäckereien sind als Partner aktiv, teilweise in Zusammenarbeit mit Servicepartnern, die sich um die Lieferung kümmern. Die Bestellung über die Website ist so gestaltet, dass sie den Kunden einfach durch den Bestellvorgang führt und bietet eine Vielfalt von gängigen Bezahlmöglichkeiten an. Bis zum Vorabend können Bestellungen für das Wochenende und in einigen Regionen auch für andere Tage getätigt werden.

Die Bäckereien und Servicepartner fungieren hier als Franchisenehmer. Jeder regionale Anbieter hat dabei große Freiheiten, beispielsweise hinsichtlich der angebotenen Bestelltage oder zusätzlicher Angebote wie Fleisch- und Wurstwaren oder Bauernhof-Eier. Brezel-Taxi kümmert sich um den reibungslosen Betrieb der Website, die Kundenkommunikation und das Marketing und bietet weitere hilfreiche digitale Tools an wie eine Software, die anhand der eingegangenen Bestellungen automatisiert eine optimale Route erstellt. Der Erfolg gibt den digitalen Gründern Recht – eine Erweiterung des Angebots um ein Frische-Taxi, das den Kunden frisches Obst und Gemüse an die Haustüre liefert, steht bereits in den Startlöchern.

So digitalisieren Sie Ihren Betrieb

Die Beispiele zeigen, dass sich digitale Technologien und handwerkliche Tradition nicht ausschließen, sondern im besten Fall gegenseitig stärken. Intelligente Tools und Programme steigern die Effizienz und optimieren den Wareneinsatz, unterstützen die Personalplanung und die Kundenbindung. Je nach Branche und Betriebsgröße gibt es unterschiedliche, geeignete Möglichkeiten auf dem Digitalisierungsweg.
Kontaktieren Sie uns gerne für eine Erstberatung oder einen Digitalisierungs-Workshop.

Das ZD.BB bietet in Zusammenarbeit mit dem Ferdinand-Steinbeis-Institut und der Universität Stuttgart im kommenden Herbst darüber hinaus eine kostenfreie Workshop-Reihe zur Geschäftsmodell-Innovation speziell für Handwerksbetriebe an.

In der Workshop-Reihe entwickeln Sie Ihr Geschäftsmodell in fünf Schritten weiter:

  1. Ist-Stand untersuchen
  2. Ideen finden
  3. Ideen auswählen
  4. Neues Geschäftsmodell ausgestalten
  5. Plan schrittweise umsetzen

Die Workshops finden in Böblingen statt und richten sich an Unternehmer, die Ihren Handwerksbetrieb weiterentwickeln wollen, aber noch keine genaue Idee haben, wohin die „Reise“ gehen soll. Ebenso an Betriebsinhaber, die bereits eine Idee haben, aber damit noch nicht vorangekommen sind. Und auch an Führungskräfte, die in die Weiterentwicklung eines Betriebs eingebunden sind.

Die Workshop-Termine: 24. September, 22. Oktober und 26. November 2021.

Die Anmeldung gilt für alle drei Termine. Die Workshops bauen inhaltlich aufeinander auf.

Bitte beachten: Die Teilnehmerzahl ist auf 12 Betriebe beschränkt.
Melden Sie sich daher schnell an!